Der Hypothekarmarkt ist in den letzten Jahren bunter geworden: Immer mehr Anbieter sind auf unterschiedlichsten Plattformen aktiv. Auch die Konditionen könnten kaum unterschiedlicher sein. Um den Durchblick im Hypotheken-Dschungel zu haben, lohnt sich eine professionelle, dienstleistungsorientierte Unterstützung. Das sagt der erfahrene Hypothekenspezialist Giampiero Brundia.

Herr Brundia, die ganze Bankbranche, aber auch Hypotheken sind von einer Welle der Digitalisierung erfasst. Werden Finanzierungen in Zukunft nicht vermehrt über automatisierte Plattformen abgewickelt?

Giampiero Brundia: Das glaube ich nicht. Gerade unsere Zielgruppe – Eigentümer und Bauherrschaften mit mehreren Mehrfamilienhäusern – sind in diesem Punkt rasch ernüchtert. Die Komplexität darf nicht unterschätzt werden. Solche Finanzierungen erweisen sich klar als ungeeignet für automatisierte und stark standardisierte Abläufe. Es gilt, sich vertieft mit den Bedürfnissen des Schuldners, der Schuldnerbonität, den Liegenschaften, der Immobilienstrategie und dem Kreditbedarf auseinanderzusetzen.

Der Vertriebskanal übers Internet gewinnt aber rasch an Bedeutung. Inwiefern macht sich in diesem Umfeld eine persönliche Beratung durch einen Hypothekenspezialisten bezahlt?

Es gibt eine wesentliche Gemeinsamkeit, und zwar quer durch alle Kategorien von Eigentümern und Bauherrschaften hindurch: Im Fokus sind immer die Immobilien! Es sind die Bauwerke bzw. Liegenschaften, die den Eigentümern Freude bereiten. In den Immobilien spielt sich das Leben ab. Sie sind zum Anfassen und in aller Regel natürlich auch schön anzusehen. Ganz im Kontrast dazu wird die Hypothek im doppelten Sinne des Wortes als Belastung empfunden…

…weshalb eine Belastung?

Viele Bauherrschaften und Eigentümer würden es klar vorziehen, ihre Projekte ohne Kredite zu realisieren. Doch in der Praxis ist es kaum je möglich, ein Millionenprojekt gänzlich ohne Hypothek quasi «aus der eigenen Tasche» zu finanzieren. Viele Bauherrschaften machen sich Gedanken, dass sie damit eine Last und längerfristige Verpflichtungen tragen müssen – eine Hypothekarschuld eben. So kommen Emotionen hoch, die eine gewisse Unsicherheit oder Angst hervorrufen. Daher ist es essenziell, jemanden als Spezialisten an seiner Seite zu haben. Das schafft Sicherheit in Finanzierungsfragen.

Viele Kunden sind mit den Abläufen bei einer Finanzierung und den Anforderungen der Banken nicht vertraut. Da ist Fachwissen gefragt.

Was meinen Sie konkret mit dem Begriff «Unsicherheit»?

In der Praxis begegne ich immer wieder Vorurteilen, allzu rasch gemachten Einschätzungen. «Die Zinsen sind ja tief, und Hypotheken sind leicht zu bekommen…» – So ticken viele Eigentümer. De facto ist die Finanzierung von der Strategie bis zur Umsetzung aber ein Hürdenlauf in mehreren Etappen. Die Unsicherheit fängt meist schon damit an, dass der Kunde mit den Abläufen nicht vertraut ist. Es braucht eine gewisse Expertise durch Spezialisten, die sich Tag für Tag mit Hypotheken befassen. Man muss Schritt für Schritt richtig vorgehen. Das heisst, sich Gedanken zu einer Ausschreibung machen, zu den geforderten Unterlagen und einer sauberen Evaluation von verschiedenen Angeboten. Selbst Eigentümer von mehreren Liegenschaften oder eines ganzen Portfolios sind niemals täglich am Markt. Sie befassen sich in aller Regel nur unregelmässig mit Hypotheken.

Ist es eigentlich immer noch so, dass viele Hypothekarkunden sehr konservativ agieren? Das heisst, sie schliessen über viele Jahre sämtliche Geschäfte bei der stets gleichen Bank ab?

Das kann natürlich teuer werden. Aber es stimmt: Frühere Jahre waren von einer sehr grossen Loyalität gegenüber der «Hausbank» geprägt. Das Internet, leichter zugängliche Informationen und mehr Vergleichsmöglichkeiten haben diese Art von Geschäftsbeziehungen aufgebrochen. Heute kommt es viel öfters vor, Varianten und Vergleichsofferten heranzuziehen und nicht einfach das nächstbeste Angebot abzuschliessen. So gleicht der Hypothekarmarkt schon eher einer Börse, mit einer grösseren Zahl von Mitbewerbern und einer ausgeprägten Konkurrenz. Parallel dazu sind auch die Zins- und Vertragskonditionen alles andere als einheitlich. Sie sind heute im Gegenteil höchst unterschiedlich.

In der Praxis hört man öfters die Meinung, jeder Kunde profitiere quasi «von selbst» von günstigen Zinsen. Wir haben ja seit Jahren tatsächlich rekordtiefe Hypothekarzinsen…

…dies ist ein weit verbreiteter Trugschluss. Es stimmt tatsächlich, dass wir nun schon seit Jahren eine historisch ungewöhnliche Tiefzinsphase durchlaufen. Doch paradoxerweise klaffen die Unterschiede zwischen mehreren Zinsofferten heute eher mehr als weniger auseinander. Gut möglich, dass ein Bauträger für ein bestimmtes Projekt die exakt gleiche Finanzierung bei einem Konkurrenzvergleich problemlos 0,25 Prozent günstiger bekommen würde. Auch Zinsunterschiede von 0,5 Prozent oder sogar noch mehr sind in diesem Umfeld, das eben einer Börse gleicht, nicht ungewöhnlich.

Inwiefern summieren sich die Einsparungen im Lauf der Zeit?

Wer eine Ausschreibung für eine neue Hypothek durchführt und richtig nachverhandelt, wird in der Regel problemlos eine Einsparung von einem Viertel Prozent erzielen. Auf eine Million Franken Kredit sind das immerhin 2500 Franken im Jahr. Doch dieser Betrag vervielfacht sich massiv, wenn es sich um noch grössere Beträge handelt, und wenn sich die Einsparung über viele Jahre summiert.

Werden die Zinsen bis auf Weiteres so tief bleiben?

Ja, ich rechne auf Jahre hinaus mit grundsätzlich tiefen Zinsen. Wir befinden uns in einem Zyklus, der von einer Rezession geprägt ist. Das lässt auf tiefe Zinsen schliessen. Doch Vorsicht: Das Zielpublikum im Wohnungsbau, sprich die Mieterinnen und Mieter, ist davon über die Beschäftigung und die Lohnentwicklung betroffen. Adäquat mit dieser Situation umgehen, heisst: Es braucht eine nachhaltige Immobilien- und Finanzierungsstrategie.

Was meinen Sie mit einer nachhaltigen Finanzierungsstrategie? Gilt es jetzt, die Zinsen lange anzubinden?

Mit Strategie meine ich etwas anderes. Es wäre nicht klug, jetzt alle Hypotheken auf Jahre oder Jahrzehnte mit fixer Zinsbindung abzuschliessen. Andersherum gesagt – strategielos vorgehen würden bedeuten: «Ich schliesse einfach ein bestimmtes Produkt mit bestimmter Laufzeit ab, weil es in diesem Moment gerade günstig erscheint….» Die Ausarbeitung einer Finanzierungsstrategie kann je nach Fall zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen führen. So zum Beispiel: Für manche Bauträger macht es Sinn, bis auf Weiteres den Löwenanteil der Finanzierung auf kurzfristiger Basis abzuschliessen und überwachen zu lassen (Geldmarkthypotheken).

Ganz konkret gefragt: Was sollte denn in einem solchen Papier unter dem Titel «Hypothekarstrategie» stehen?

Es geht eben um wesentlich mehr, als für einen bestimmten Stichtag ein bestimmtes Produkt abzuschliessen – vielleicht bloss, weil es bei den Banken gerade «im Ausverkauf» ist. Die Hypothekarstrategie umfasst die Eckdaten zum aktuellen und künftigen Finanzierungsbedarf. Und dieser wiederum ist natürlich direkt mit der Immobilienstrategie verknüpft. Der Finanzbedarf richtet sich nach der Bau- und Umbautätigkeit. Sind mehrere Projekte oder grössere Ersatzneubauten geplant, steigt der Finanzierungsbedarf. Eine gute Strategie muss diese Tendenzen in einer mehrjährigen Perspektive aufzeigen. Nicht zu vergessen, dass die Finanzierung immer sowohl einen Anteil Fremdkapital als auch einen Anteil Eigenkapital umfasst.

Bei Ausschreibungen unter mehreren Banken stellen wir fest, dass sie je eine höchst unterschiedliche Auslegeordnung vornehmen. Wir machen uns dafür stark, dass der Kreditnehmer und die Objekte adäquat beurteilt werden.

Gehören in dieses grundlegende Dokument auch Vorgaben zur Wahl potentieller Finanzierungspartner?

Selbstverständlich. Wichtig ist vor allem auch der Grundsatz: Will ich bei den Gläubigern ein «Klumpenrisiko» eingehen (Modell Hausbank)? Oder ist es nicht klüger, bei den Gläubigern eine gute Diversifikation anzustreben? Ein wesentlicher Teil bezieht sich zudem auf die Risikofähigkeit. Hier gilt es, die kurz- und längerfristige Risikofähigkeit und Risikobereitschaft im Auge zu haben. Die Finanzierungsstrategie muss sich längerfristig und nachhaltig bewähren.

Oft hört man, dass die Banken und Darlehensgeber Kreditgesuche höchst unterschiedlich beurteilen. Was ist Ihre Erfahrung als Experte?

Das stimmt tatsächlich. Nehmen wir ein Beispiel, das ich als unabhängiger Finanzierungsberater schon erlebt habe: Auf eine Anfrage bei einer Ausschreibung unterbreiteten uns sieben Banken konkrete Angebote. Die Einschätzungen hätten kaum unterschiedlicher sein können! Schon allein bei der Bewertung des Objekts stellten wir Abweichungen von 50 Prozent und mehr fest. Desgleichen bei der Beurteilung der Tragbarkeit. Die Banken operieren mit unterschiedlichen Annahmen und einen unterschiedlichen kalkulatorischen Zins. Unser Credo lautet: Wir machen uns für eine differenzierte Betrachtung stark. Das trägt entscheidend dazu bei, dass ein Bauträger und sein Projekt zu einer adäquaten Beurteilung kommen.