Richtlinien für die Vergabe von Krediten sind wichtig und helfen mit, dass Kreditgeber keine Risiken eingehen. Doch nicht alle Richtlinien sind zeitgemäss.
Richtlinien sind sinnvoll. Hauptsächlich dann, wenn sie das Hypothekargeschäft regeln. So liegt des Hypothekarvolumen in der Schweiz bei über 1'100'000'000'000 Franken (1'100 Milliarden Franken). Die Kreditrichtlinien sind klar formuliert und geben vor, wie die Grundpfandrechte resp. die Immobilie zu bewerten sind, wie viele Eigenmittel eingesetzt werden müssen, wie die Hypothek zu amortisieren ist und wie die Bonität und Tragbarkeit zu beurteilen sind.
Die rasch ansteigenden Immobilienpreise und der zunehmende Verschuldungsgrad in den letzten Jahren haben den Regulator gezwungen, die Richtlinien für das Hypothekargeschäft restriktiver zu gestalten. So hat Swissbanking die Richtlinien betreffend den Mindestanforderungen bei Hypothekarfinanzierungen in den Jahren 2012, 2014 und 2019 angepasst.
Wir begrüssen die vorsichtigen und nachhaltigen Kreditrichtlinien für Hypotheken. Was aber fehlt, ist eine differenziertere Betrachtung. So sollten mehr Geldgeber den Wert des langfristig erzielbaren Ertrages realitätsnäher beurteilen und das Potential zwischen der effektiven und der marktüblichen Miete mitberücksichtigen, so beispielsweise bei der Kostenmiete. Zudem sollten Kreditgeber den Basissatz des Kapitalisierungssatzes dem heutigen Zinsniveau anpassen, damit ein immer noch vorsichtiger, aber für Geldgeber und Kreditnehmer fairer Kapitalisierungssatz entsteht.
Was heute bei den Kreditrichtlinien für Hypotheken fehlt, ist eine differenziertere Betrachtung.
Und zu guter Letzt sollte der kalkulatorische Hypothekarzinssatz für die Beurteilung der Tragbarkeit dem Zinsniveau angepasst werden. So kalkulieren die meisten Geldgeber mit einem Zinssatz von 4,5% bis 5%, obschon der langfristige mittlere Satz für Hypotheken von 5% auf 3.5% gesunken ist. Die mittlere Laufzeit des Hypothekenportfolios eines Immobilienbesitzers sollte beim kalkulatorischen Zinssatz mitberücksichtigt werden. Ist also ein Immobilienbesitzer langfristig, d.h. nachhaltig finanziert, wird ein tieferer kalkulatorischer Zinssatz für die Beurteilung der Tragbarkeit eingesetzt.
Die differenzierte Beurteilung einer Immobilienfinanzierung und damit unterschiedliche Kreditangebote wird es immer geben. Das ist auch gut so und zeigt, dass der Wettbewerb funktioniert. Wir wünschen uns aber eine realitätsnähere und kundenfreundlichere Kreditbeurteilung, ohne dass das Hypothekargeschäft zusätzlichen Risiken oder der Spekulation ausgesetzt wird. Wie die Praxis zeigt, funktioniert dies in Einzelfällen bereits sehr gut.
Gut zu wissen
Tragbarkeit
Die Tragbarkeit muss langfristig auf Basis eines vorsichtig zu ermittelnden, langfristigen kalkulatorischen Hypothekarzinssatzes gegeben sein und auf nachhaltigen Einnahmen- und Ausgabenkomponenten beruhen.
Immobilienbewertung
Die Immobilienbewertung hat vorsichtig, systematisch und periodisch nach einheitlichen Leitlinien zu erfolgen. Im Grundsatz ist auf den Marktwert abzustellen. Hier spielen der langfristig erzielbare Ertrag und der Kapitalisierungssatz eine wichtige Rolle.
Kapitalisierungssatz
Der Kapitalisierungssatz setzt sich aus einem Basiszinssatz, aus Zuschlägen für Betriebskosten und für Ersatzinvestitionen sowie ausreichenden Risikozuschlägen, welche die objektspezifischen Eigenschaften (wie Nutzung, Zustand und Lage) und wirtschaftliche und regionale Aspekte (wirtschaftliche und steuerliche Situation in der Region, regionale Leerstandsquote) berücksichtigen, zusammen.